(zum Beitragsbild oben: Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit (Foto: Amit Shabi/Flash90))
Alle Spieler des Deep State, alle Akteure, die gebraucht werden um zu herrschen, sind beteiligt
In den vorherigen Artikeln (hier und hier) [auf diesem Blog hier und hier; Anm. RMH] haben wir die Entwicklung des Deep States in Israel und seine organisierten Bemühungen untersucht, die Kontrolle über die nicht gewählten Machthebel in Israel – die Justiz und die Bürokratie – zu übernehmen. Nach der Niederlage bei den Knesset-Wahlen 1977 der Deep State fest seine Macht und Kontrolle auszubauen und die langfristigen Positionen in den Gerichten und den Institutionen der Regierungsoperationen würde es ihm ermöglichen, ohne dass es zu Einmischungen durch Wahlzyklen kommt.
Bei seiner Schaffung sollte das Rechtssystem die von der Knesset erlassenen Gesetze anwenden und er war notwendigerweise von der gewählten Knesset getrennt, um seine Unparteilichkeit zu wahren. In einem späteren Artikel werden wir die „kleinen Schritte“ untersuchen, die letzten diese Beziehung umdefinierte und die Macht des Obersten Gerichtshofs gegenüber der Knesset etablierte. Mit dem Verständnis, dass diese das Ziel war, wird dieser Artikel eines der bedeutendsten Mittel des Deep State untersuchen, das es ihm erlauben sollte die „Schritte“ umzusetzen: den Einsatz von strafrechtlichen Ermittlungen und Anklagen gegen Einzelpersonen. Fingierte Rechtsverfahren wurden auf unterschiedliche Weise genutzt, was es erlaubte das Land in die Richtung zu steuern, in die es gehen sollte und Menschen zu schikanieren, die das behindern könnten. Manchmal sorgten diese Mittel sogar dazu, das Menschen zum Teil des Mechanismus des Deep State wurden.
Es gibt drei Hautstrategien, die der Deep State einsetzt, um Strafsachen vorzutäuschen.
Die erste besteht darin einen Fall zu erfinden, über Lecks in der Öffentlichkeit durch Lecks, meist über die Medien, zu verankern, dass es sich um einen ernsten Fall handelt, in dem ermittelt wird, obwohl es gar keinen Fall gibt. Das funktioniert, weil unmöglich zu beweisen ist, dass es etwas Negatives gibt und es Jahre dauert, bis man beweisen kann – wenn überhaupt – dass es wirklich keine Fall gab. Bis dahin ist beschlossen, dass es nie ein Fall war und niemand wird sich an den konkreten Fall erinnern, aber der Schaden wird angerichtet sein.
Der zweite Schritt besteht darin, einen abstrusen Fall in eine monströse Korruptionsbehauptung aufzubauschen. Normalerweise würde ein solcher Fall nie zu einem Strafverfahren führen, aber die Öffentlichkeit versteht das nicht; diejenigen, die es wissen, wollen nicht riskieren selbst zur Zielscheibe zu werden und der gewählte Amtsträger versteht die Botschaft. Oft verschwinden diese Fälle, nachdem diese Person dann die Haltung des Deep State übernimmt. Verschwindet, wird aber vielleicht nicht abgeschlossen.
Die dritte Strategie ist die berüchtigte sowjetische „Zeig mir die Person und ich werde dir das Verbrechen zeigen“. Akten potenziell verbrecherischen Materials zu gewählten Amtsträgern werden gesammelt und gepflegt, Amtsträger werden mit der Drohung unter Druck gesetzt, sie würden gegen sie eingesetzt. Das gesammelte Material könnte sich auf tatsächliche Straftaten beziehen, auf die Strategien eins oder zwei oben oder einfach unangenehme Situationen sein; allerdings beschließen die Staatsanwälte, die alle Informationen haben, nichts deswegen zu unternehmen, bis es notwendig wird den gewählten Amtsträger unter Kontrolle zu bringen. Diese Strategie ist komplett illegal, da das Gesetz vorschreibt, dass Staatsanwälte Anklage erheben müssen, sobald sie von einem Vergehen erfahren.
Nicht alle drei Strategien werden mit derselben Regelmäßigkeit eingesetzt. Die erste am seltensten, denn sie ist für den Deep State gefährlichste. Ohne jegliche Faktenbasis in der Sache würde sie auseinanderfallen.
Die zweite Strategie ist weit üblicher. 1996 wollte Netanyahu Yaakov Neeman als Justizminister einsetzen. Neeman, Leiter der größten Anwaltsfirma in Israel, begriff, dass am Justizsystem einige Veränderungen vorgenommen werden mussten. Es heißt, dass sich Yaakov Neeman am Tag vor seiner Ernennung mit Generalstaatsanwalt Michael Ben-Yair traf und ihn darüber informierte, dass er Ben-Yair ersetzen würde. Am nächsten Tag wurde vom Generalstaatsanwalt eine strafrechtliche Ermittlung wegen Meineides und Vorlage einer falschen eidesstattlichen Erklärung gegen Neeman eröffnet. Neeman trat vom Ministerposten zurück und wurde letztlich von allen Vorwürfen freigesprochen, da er sie in gutem Glauben begangen hatte.
Dieselbe Strategie wurde einsetzt, um die Kandidatur von Reuven Rivlin (dem späteren Staatspräsidenten) als Justizminister zu vereiteln, wie im vorigen Artikel bereits kurz erwähnt wurde. 2000/2001 war Rivlin ein lautstarker Gegner von Aharon Barak – damals der oberste Richter am Obersten Gerichtshof – und seines juristischen Aktivismus. Als der frühere Premierminister Ariel Sharon Reuven Rivlin 2001 zum Justizminister ernennen wollte, wurde sieben strafrechtliche Ermittlungen wegen Verbindungen zu einem Bauunternehmer namens Dudi Apple gegen ihn eröffnet. Rivlin verzichtete auf die Nominierung zum Justizminister und wurde stattdessen zum Kommunikationsminister ernannt. Alle sieben Fälle wurden daraufhin eingestellt. Es gibt keinen Gerichtsstand, also konnte auch kein kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden; der Leser mag entscheiden, ob es hierzu Vorsatz gab. Der Leser kann auch darüber nachdenken, ob die Richtung, die der Staat einschlug, anders ausgesehen hätte, wären Neeman und Rivlin Justizminister geworden.
Der ehemalige Generalstabschef Rafael Eitan (Raful) erfuhr ebenfalls eine ähnliche Behandlung, als er 1996 für die Posten des Ministers für interne Sicherheit (der Minister ist für die Polizei zuständig) vorgeschlagen wurde. Gegen Eitan wurde eine strafrechtliche Ermittlung eingeleitet, behauptet, er und seine Partei Tzomet würden in einer politischen Kampagne illegal persönliche Informationen aus militärischen Datenbanken nutzen. Eitan stimmte zu, dass er diese Informationen genutzt hatte, behauptete aber, das sei nicht illegal und das Gericht stimmte dem zu; es befand, dass das kein Vergehen war. Inzwischen wurde Eitans Kandidatur für eine Position, in der seine Erfahrung und seine Kenntnisse von effektivem Nutzen hätten sein können, vereitelt und er wurde stattdessen zum Landwirtschaftsminister ernannte.
Noch ein weiterer Fall aus dieser Zeit ist der von Dror Hoter-Yischai, der Vorsitzender der Anwaltskammer war. Hoter-Yischai war ein entschiedener Gegner von Oberrichter Aharon Barak und seines juristischen Aktivismus. Hoter-Yischai führte zudem die Anwaltskammer und die Repräsentanten der Anwaltskammer im Komitee zur Auswahl von Richtern, wo seine Entscheidungen hätten helfen können die Ausgewogenheit im Justizsystem zu erhalten, indem Baraks Wahl juristischer Ernennungen abgelehnt wurden, die immer dazu gedacht waren seinen juristischen Aktivismus zu festigen.
1996 wurde eine Ermittlung wegen Steuervergehen gehen ihn eröffnet; 1998 wurde eine zweite Ermittlung gegen ihn eröffnet, weil er einen Partner beraten hatte, der Straftaten begangen hatte und 1998 eine dritte wegen Missachtung des Gerichts, weil er die Behörden wegen ihres Verhaltens ihm gegenüber kritisiert hatte; außerdem ein Ethik-Verfahren vor der Ethik-Kommission der Anwaltskammer, das eingestellt wurde, nachdem er die nächste Wahl zur Leitung der Anwaltskammer verloren hatte.
Die dritte Strategie wurde 2018 in der Knesset von Brigadegeneral Guy Nir aufgedeckt, als dieser detailliert aufzeigte, dass die Polizei und das Büro des Generalstaatsanwalts Akten zu rund 300 ranghohen Personen pflegten und sie diese Informationen für die Zukunft aufbewahren, wenn sie sie nutzen könnten, um diese Leute unter Druck zu setzen. Auf diese Weise unterwirft das Büro des Generalstaatsanwalts diese Leute seinem Willen.
Einer der Fälle ist der des früheren Generalstaatsanwalts Avichai Mandelblit. Mandelblit war Netanyahus Stabschef und wurde als enger Freund und Vertrauter des Premierministers betrachtet.
2014 war Mandelblit Verdächtiger in einem Dokumentenskandal namens Harpaz-Affäre. Harpaz schuf ein gefälschtes Dokument über Gabi Aschkenazi und Ehud Barak, das Barak schlecht aussehen ließ. Mandelblit wurde beschuldigt zu wissen, dass das Harpaz-Dokument gefälscht war. Überraschend für alle wurden die Akten gegen Mandelblit geschlossen und er wurde 2015 Generalstaatsanwalt. 2016 eröffnete Mandelblit die Fälle 1000, 2000 und 4000 gegen Netanyahu, alles Fälle, die auch Thema eines zukünftigen Artikels sein werden.
Jeder, der das überprüfte, hätte festgestellt, dass die Akten gegen Mandelblit zwar geschlossen wurden, die Fälle wurden aber nie offiziell fallengelassen. Jahre später – 2020 – wurden Aufzeichnungen veröffentlichte, gemäß denen Mandelblit sagte, er früher Staatsanwalt hätte ihn mit dem Fall „an der Gurgel“, der nicht abgeschlossen sei und würde ihn praktisch kontrollieren. Vielleicht ist das die Erklärung für Mandelblits plötzliche Haltungsänderung gegenüber Netanyahu und seine Aufgabe konservativer Prinzipien, die er vor 2014 vertrat.
Der Knesset-Abgeordnete Avigdor Liberman, ehemaliger Verteidigungsminister, war ein entschiedener Gegner des Einsatzes des juristischen Konzepts der „Vernünftigkeit“ und des juristischen Ernennungsprozesses. Im Lauf der Jahre ist Liberman in vielen Skandalen erwähnt worden, der bedeutendste davon 2017 der Yisrael Beteinu-Skandal, wegen dem ihm nahestehende Menschen für viele Jahre inhaftiert wurden. Obwohl Liberman im Zentrum der Ereignisse stand, wurde er nie freigesprochen oder angeklagt. Dennoch hörte er auf sich gegen das Justizsystem zu äußern.
All diese Fälle sind in den politischen Kreisen wohlbekannt, in denen die Idee der Justizreform durchgängig unterstützt wurde, bis jemand versuchte sie tatsächlich durchzuführen. Die Missbräuche gehen bis heute unverhohlen weiter. Die aktuelle Koalition Netanyahus stimmte darin überein, dass sie zu ihren Prioritäten gehörte und Israel erlebte die Opposition der Judikative, die nicht reformiert werden will. In klassische Manier verbot die Judikative Netanyahu sogar über die Reform zu reden, während sie ihn aufspießte.
In unserem ersten Artikel erwähnten wir die Verhaftung des Kommandanten Avischai Muallem, Leiter der Ermittlungs- und Geheimdienstabteilung des Polizeibezirks Judäa und Samaria. Offiziell hießt es, Muallem kooperierte nicht mit dem Schin Bet (dem israelischen Inlands-Geheimdiensts) bei der Verhaftung von Juden. Diese Woche wurde eine Aufnahme des Kommandanten der Jüdischen Abteilung des Schin Bet veröffentlicht, in der er Muallem sagt, er solle Leute ohne Beweise verhaften und sie in von Ratten verseuchte Zellen stecken, weil der Schin Bet so viele wie möglich verhaften will; was den Schin Bet angeht, sind sie kein Menschen. Gemeint sind die in Judäa und Samaria lebenden Juden.
Diese schockierende Aufnahme ließ die Verhaftung Muallems platzen; sie deckte das institutionalisierte Verbrechertum des Schin Bet auf, der gegen die gewählte Regierung agierte, gegen das das Gesetz und gegen das Volk Israel. Diese Leute handeln nicht im luftleeren Raum. Die weit verbreiteten Verhaftungen von Juden ohne jegliche Beweise und ohne jeden Grund, sie festzuhalten, nur weil der Schin Bet sie hasst und in die Öffentlichkeit und die Welt senden will, dass es jüdischen Terrorismus gibt, obwohl er nicht existiert oder vernachlässigbar ist, erfordert Komplizen bei Justiz und Medien.
Den Leiter der Ermittlungs- und Geheimdienst-Abteilung der Polizei von Judäa und Samaria zu verhaften, weil er sich weigert mit dem Schin Bet zu kooperieren, erfordert eine dreiste Überzeugung, dass es eine „über dem Gesetz stehende“ Macht gibt. Um das klarzustellen: In den Einsatz strafrechtlicher Ermittlungen, Anklagen und Verhaftungen erfordert die Involvierung des Schin Bet, des Büros des Generalstaatsanwalts und der Richter, die als Erfüllungsgehilfen des Schin Bet agieren, ohne Ermittlungen oder ordnungsgemäße Gerichtsverfahren.
Alle diese Spieler des Deep State, alle Akteure, die für seine Herrschaft nötig sind, sind beteiligt.
Die sogenannten „Qatargate“-Fälle, bei denen heute gegen Berater von Premierminister Netanyahu ermittelt wird und die wir ein anderes Mal ausführlich behandeln, werfen ebenfalls schwierige Fragen bezüglich Realität, Legalität und der beabsichtigten Ziele auf. Premierminister Netanyahu erläuterte letzte Woche detailliert alle Fälle, in denen gegen ihn, seine Familienmitglieder und Mitarbeiter im Lauf der Jahre ermittelt wurde, dass alle Fälle in den Medien hochgespielt wurden und letztlich im Sande verliefen und verschwanden. Wenn Sie begreifen, wie der Deep State arbeitet, dann müssen Sie sich bei jeder einzelnen Ermittlung Gedanken machen und fragen, was dahintersteckt.